In einer „Zwischenwelt“ zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Konflikt und Versöhnung, protestantischer und ka- tholischer Deutung, geht an einem Samstag im Mai ein Marsch durch die Straßen des protestantischen Bezirks Shankill im nordirischen Belfast. Im Takt der Whiterock Flute Band werden Menschen vereint, um den Opfern vergangener Konflikte zu gedenken. Ein kollektiver Prozess der Vergangenheitsbewäl- tigung, im Herzen der Straßen, wo einst Konflikte tobten. Die bitteren Verluste und die Geschichte bleiben allgegenwärtig. Mauern trennen immer noch, zwischen Straßenzügen und in den Köpfen. Doch zwischen all dem Pathos, Opferkult und Ehr- erweisung zeigt sich auch ein Aufbruch. Von Flöten und Pauken durch die Stadt getragen, vereinen sich Generationen, um nicht zu vergessen, und den Takt für eine positive Zukunft zu finden.
Der Umzug startet aus einem Pub in der Ariel Street im Bezirk Shankill. Anwohner beobachten das Treiben auf der Straße. Einige Bandmitglieder berichten, dass aufgrund der Unruhen in der Stadt Anfang der 1970er Jahre viele Mitglieder ihre Häuser verlas- sen mussten. Die Band verlor später auch zwei Mitglieder, die von der IRA ermordet wurden. Sie sagen, dass sie diese Männer und andere ehemalige Mitglieder, die nicht mehr leben, gerne mit ihrer Musik ehren möchten.
Ein junges Mitglied der `Whiterock Flute Band ́ posiert vor Beginn des Umzugs im Pub `Pony Club ́ neben den Pauken und Trom- meln. Die Blaskapelle spielt eine bedeutende Rolle im protestantischen Versöhnungsprozess und Werteempfinden. Der Bandse- kretär Rab Hillis sagt: „Die Kultur der Blaskapellenszene dreht sich nicht nur um Musik, sondern zielt auch darauf ab, unser Image zu fördern und die jüngere Generation zu erziehen, indem wir ihnen Disziplin, Hingabe und Respekt vermitteln.“
Die `Murals ́ (Wandbilder) haben im Gedenken an die Verluste vergangener Konflikte, als politische Projektionsflächen und im Bewusstsein eines kollektiven Vergangenheitsbewältiungsprozesses eine große Bedeutung in Nordirland.
Unionisten der Beaconsfield Royal Black Preceptory No. 224 tragen Ihre Orden zum Umzug am Memorial Day.
Jim Heald ist 81 Jahre alt und hegt eine tiefe Verbundenheit zum Bezirk Shankill. Sein Vater war Werftarbeiter und er selbst hat jahrzehntelang für eine hier ansässige Aircraft-Fabrik gearbeitet. Shankill war ursprünglich eines der großen Industrie- und Arbeiterviertel im Westen der Stadt von Belfast.
Überall in den Straßen Shankills wird den Unionisten gedacht, die das protestantische Nordirland verteidigt haben. Fahnen wehen.
Shirley wohnt mit ihrer Familie ebenfalls in dem Wohngebiet rund um die Shankill Road. Ihre Familie ist weniger traditionell protestantisch sondern eher progressiv eingestellt. Auch sie bringt an diesem Nachmittag der Umzug auf die Straße.
Drei junge Mitglieder der „Whiterock Flute Band“ am Rande des Umzugs.
„Sie fielen im Angesicht des Feindes“. In vielen protestantischen Pubs im Bezirk Shankill sind die Wände mit den Gesichtern der Gefallenen vergangener Weltkriege geschmückt. Es ist ein Opferkult, der auch für die nordirischen Konflikte der näheren Ver- gangenheit gilt.